Meine Stearman
Modell Stearman E75
Baujahr 1942
Seriennummer 75-8116
Registrierung N-67193
Motor Continental W 670
Lackierung gelb
Motornummer 26583
Propeller Sensenich (Holz)
Reisegeschwindigkeit 105 mph
Standort Gelnhausen
Bei „meiner" Stearman handelt es sich um ein Modell E75, Baujahr 1942. Ende 1990 in El Salvador von der Firma Surplus Specialties Inc. (Cleveland) gekauft, wurde die Maschine von Air Repair Inc., spezialisiert auf Stearman-Restaurierungen, aufgearbeitet. Dabei erhielt sie ihre ursprüngliche Farbe als Trainings-Flugzeug der US Navy zurück – in dieser Lackierung hatte sie in den 40er Jahren ihren Namen erhalten: „Yellow Peril", gelbe Gefahr.

Das Flugzeug erhielt einen Motor des Typs Continental W 670 und einen Sensenich Holzpropeller. Registriert wurde Maschine unter N-67193.

Michael Schultz, der im August 1996 starb, überführte das Flugzeug gemeinsam mit einigen anderen „Stearmännern" 1992 nach Deutschland. In einer unveröffentlichten, hier etwas gekürzten Geschichte für den „Aerokurier" beschrieb er, wie es dazu kam.

So richtig hatte ich mich niemals für eine Boeing Stearman interessiert. Nun hänge ich am Haken: So ein Ding muss her! Alleine ist das allerdings etwas zu teuer. Ich rufe meinen Freund Hans-Werner Scholz an, stolzer Besitzer einer Speed Canard und auch verrückt. „Hans-Werner, wir müssen zusammen ein Flugzeug kaufen." „Was für eines denn?" „Eine Boeing Stearman." Hans-Werner hat absolut keine Ahnung, was das ist. „Ist auch nicht nötig", sage ich ihm, „schick’ die Kohle." Und schon sind wir stolze Besitzer einer Boeing Stearman. Wochen später kommt eine große Kiste mit zwei Stearman in Hartenholm an. Schnell ist eine geschickte Mannschaft zusammengetrommelt. Wir bauen die Flieger zusammen. Ich bin Chef und behalte die Übersicht. Dafür bin ich nicht der beste Schrauber.

Nach zwei Tagen sind wir fast fertig. Alle vier Tragflächen sind angebaut, die Flug- und Landedrähte gespannt, die Ruder angeschlossen – Rollout. Da stehen sie nun, große, mächtige Flieger auf hohen Beinen. Chrom, gelbe Flächen, blauer Rumpf, eine Freude für die Augen. Und nun kommt der große Augenblick. Der 220 PS starke Continental-Sternmotor wird angelassen. Konstruiert im Jahre 1924, 100 000-fach gebaut, hat er seinen Dienst mit großer Zuverlässigkeit in vielen Flugzeugen und anderen Fahrzeugen getan. 220 PS aus fast elf Litern Hubraum, maximale Drehzahl 2050 rpm (Umdrehungen pro Minute), gute Voraussetzungen für ein langes Leben ohne Ärger.

Also lassen wir den Motor an, er startet sofort. Kurz darauf verschwinden der Flugplatz Hartenholm und die umliegenden Dörfer in einer Nebelwand aus Stearman-Öl. Muss wohl noch einiges im Gehäuse gewesen sein. Es dauert mehrere Minuten, bis sich der Nebel lichtet. Jedenfalls läuft der Motor, zwar nicht präzise wie ein Schweizer Uhrwerk, aber immerhin besser als ein Lanz-Bulldog. Sternmotoren rütteln eher vor sich hin.

Beim Start und bei der Landung zeigen sich jedoch gelegentlich Eigenwilligkeiten, die es rechtzeitig zu erahnen und zu beherrschen gilt. Wobei der Start eher weniger Probleme bereitet, sieht man einmal davon ab, dass die Sicht nach vorne gleich Null ist. Das ändert sich erst dann, wenn der Schwanz in der Luft kommt. Bei der Landung ist das ähnlich – solange man ausreichend Höhe hat, kann man die Bahn sehen.

Wenn der Wind von der Seite kommt, bedarf es entschlossener Handlung. Das ist eben so bei Flugzeugen aus dieser Generation: Unsere Großväter haben sich um Seitenwind-Landungen keinerlei Gedanken gemacht, hatten sie doch runde Grasflächen als Flugplätze. Und da landete man einfach immer genau in den Wind. So sagt es übrigens auch das militärische Flughandbuch der Stearman: „Die Starteigenschaften des Flugzeugs sind normal. Die Landeeigenschaften des Flugzeugs sind normal. Seitenwindlandungen vermeiden."

Nun habe ich weit vorgegriffen – wir stehen ja noch in Hartenholm. Und ich habe noch niemals eine Stearman geflogen. Ab auf die Piste, Vollgas. 220 PS und 1800 rpm: stimmt alles. Der Flieger rollt (mit etwas Hilfe) sauber geradeaus. Ein kleiner Zug am Höhenruder: die Stearman fliegt! Und ich fliege mit – zum ersten Mal in einem offenen Doppeldecker, und dann noch in einem, der drei Jahre älter ist als ich selbst! Ganz langsam löst sich die Spannung. Kurven, ein Loop, ein Turn – das Ding fliegt wirklich!

Ich glaube, sie liebt mich. Ich sie auch – fürs erste jedenfalls, denn der Zeitpunkt der Landung naht. Schweiß von den Handflächen wischen, Gas raus, Vorbereitung zur Radlandung, ein uralter Indianertrick: An sich landet man ja gar nicht richtig, sondern fliegt das Flugzeug auf die Landebahn, indem man eine geringe Sinkrate einstellt und einfach wartet, bis es quietscht. Jedenfalls macht unsere Stearman, wir ihr befohlen wurde: Ganz sanft fangen die großen Räder an, sich zu drehen, die Richtung lässt sich mühelos mit dem Seitenruder einhalten, das Spornrad berührt die Landebahn, der Flieger rollt aus.

Überstanden. Mein erster Start, erster Flug und meine erste Landung mit unserer neuen Stearman verliefen wie im Bilderbuch. Zehn weitere Starts und Landungen schließen sich mit mehr oder weniger Erfolg an, aber immer ohne Schramme am Flieger oder der Psyche des Piloten. Die Stearman steht wunderschön auf dem Rasen, und bei ihrem Anblick fällt mir der alte Humphrey ein: „Dies ist der Beginn einer langen, wunderbaren Freundschaft."

Michael Schultz

Wie fliegt sich die Stearman?
Eine Stearman ist zu nächst einmal ein „großes" Flugzeug. Eine Tiger Moth – ebenfalls eine Trainingsmaschine der damaligen Luftwaffen – ist im Vergleich eine recht filigrane Maschine. Alles wirkt kleiner, vielleicht sogar zerbrechlicher als bei der Stearman. Sie wiederum kann man von der Größe her am besten mit der deutschen FW 44 Stieglitz vergleichen.

Nach den üblichen Checks bei der Stearman folgt das obligatorische Durchdrehen des Motors mit der Hand, damit sich das Öl aus den unteren Zylindern im Motor verteilt. Im Flugzeug geht es so weiter: Hauptschalter an, Anti Collision on, Gemisch „voll reich", drei bis siebenmal mit dem Primer einspritzen, Anlasser betätigen, vier bis fünf Blätter vorbeirauschen lassen, beide Magnete dazu und der Motor läuft. Funkgerät an, Motor warmlaufen lassen bis etwa 30 bis 50 Grad. Dann folgen die üblichen Checks beim Run up am Rollhalteort.

Gestartet wird mit einer auf „Neutral" eingestellten Trimmung. Zügig Gas geben, den Knüppel leicht gezogen, um die ersten Meter in Dreipunktlage zu rollen, mit dem Seitenruder die Richtung bestimmen. Die Sicht nach vorne ist gleich Null, orientieren kann sich man praktisch nur durch Blicke nach links und rechts. Bei etwa 15 bis 20 Knoten den Knüppel nach vorne, um das Flugzeug auf das Hauptfahrwerk zu stellen.

Als ob ein Vorhang aufgeht: Auf einmal hat man auch Sicht direkt nach vorne. Bei 55 Meilen pro Stunde (mph) kann man den Flieger vom Boden nehmen, nimmt noch ein wenig Fahrt auf und steigt mit etwa 70 mph. Je nach Beladung und Temperatur liegt dann eine Steigungs-Geschwindigkeit von 500 bis 700 Fuß pro Minute am Variometer an, bei Temperaturen unter Null können es auch schon mal 1000 Fuß sein.

Im Reiseflug ausgetrimmt, mit 1800 Umdrehungen, wird eine Reisegeschwindigkeit von etwa 105 mph (knapp 170 km/h) erreicht. Die Ruderwirkung um die Längsachse wirkt zunächst etwas träge. Man muss jedoch bedenken, welche Masse man bewegt. Die Abstimmung der Ruder ist sehr gelungen. Natürlich braucht der Pilot beim Kurven die Unterstützung des Seitenruders. Da der Pilot hinten sitzt, hat er „viel Flugzeug" vor sich. Deswegen ist es am Anfang schwierig, sich die richtigen Referenzen zu suchen, um das Flugzeug am Horizont kreisen zu lassen, ohne dabei zu steigen oder zu sinken.
Dies ist aber, wie so oft, nur eine Frage der Übung.

Georg Raab


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