Kunstflug mit der Stearman?
Ja klar, man kann die Standardfiguren an den Himmel zaubern. Da man aber nur 220 PS zur Verfügung hat, geschieht dies indem man in der Regel Höhe abbaut. Es erinnert mich ein bisschen an Kunstflug mit Segelflugzeugen. Obwohl die Struktur der Stearman +12/-12 g aushält, ist man darauf beschränkt nur positive Figuren zu fliegen, da ansonsten der Motor stehen bleibt. Er verfügt nämlich nicht über eine Einspritzanlage oder ein Rückenflugsystem. Robert Fritsch und ich haben bei einem Besuch bei Sun and Fun in Lakeland/Florida im Frühjahr 2001 einmal eine Vorführung mit einer "Stock" Stearman gesehen, die fast alles, was ich vorher über Kunstflug mit der Stearman beschrieben habe, in Frage stellt. John Mohr fliegt mit seiner 220 PS Stearman, ohne Verstellprob alles in Bodennähe, d.h. er "verbraucht" dabei keine Höhe. Wie er das macht, ist uns ein Rätsel.

Wie könnte ein typisches Kunstflugprogramm aussehen?
1) Abschwung: Beschleunigen auf ca. 130 mph, hochziehen ca. 40 ° pitch, halbe Rolle, nicht allzu viel nachdrücken, Geschwindigkeit auf ca. 50 mph abfallen lassen, dann ziehen und die Figur mit einem halben Looping beenden. Man kommt dabei mit ca. 135 mph heraus und kann diese umsetzen in einen

2) Looping: Nachdem die Eingangsgeschwindigkeit von ca. 135 mph anliegen, zügig das Höhenruder ziehen, bei ca. 60 ° pitch etwas nachlassen, am Scheitelpunkt des Loopings liegen noch ca. 30 mph an. Das Höhenruder ist auf Position Neutral, im ersten Drittel des Abschwungs etwas ziehen, danach mehr ziehen und den Looping beenden. Wenn wir den Loop sauber geflogen haben, fliegen wir durch unsere eigenen Propellerböen, die wir am Anfang des Loopings hinterlassen haben. Nach Beenden des Loops liegen wiederum ca. 135 - 140 mph an. Das wäre eine schöne Eingansgeschwindigkeit für eine

3) Faßrolle: Aus einer Geschwindigkeit von ca. 135 mph. hochziehen auf ca. 30° über dem Horizont. Im letzten Drittel des Hochziehens Querruder (z.B. nach links), Höhenruder neutral, ab ca. 45 ° bank etwas Seitenruder rechts um die Nase hoch zu halten, in Rückenlage Seitenruder neutralisieren. Ab ca. 45 ° bank in der zweiten Hälfte der Faßrolle leichtes Seitenruder links. Beschleunigen auf 135 mph für einen

4) Turn: Zügiges Hochziehen bis zum senkrechten Steigflug. Kurz vor erreichen des Scheitelpunkts (Turn nach links) Seitenruder zügig bis zum Anschlag nach links, dabei Querruder rechts um die Flächen gerade zu halten. Wichtig bei einem Turn nach links ist, die Motorleistung vor dem Betätigen der Ruder auf nahezu Leerlauf zu reduzieren, um den Kreiseleffekt des Motors überwinden zu können. Lässt man die Motorleistung "stehen" kommt man überall heraus, nur nicht exakt auf der Referenzlinie.

Prinzipiell muss man sagen, dass man beim Kunstflug mit der Stearman ohne Verstellprob andauernd mit dem Gashebel beschäftigt ist. Immer dann, wenn es abwärts geht muss man die Drehzahl reduzieren, da man sonst Gefahr läuft den Motor zu "überdrehen". Aus den oben genannten Figuren lassen sich weitere Figuren kreieren, indem man die vorgenannten Figuren kombiniert. So z.B. halber Loop, halbe Rolle (Aufschwung) etc.

Obwohl die Stearman ihrem Spitznamen "Yellow Peril" (gelbe Gefahr) in den 40er Jahren bei der Navy so manches Mal alle Ehre machte, muss man sagen, dass sie ein sehr gutmütiges Flugzeug ist. Sie will halt eben nur aufmerksam geflogen, insbesondere gestartet und gelandet werden. Immer und in jeder Situation muss man sich bewusst und klar darüber sein, dass man in einem Spornradflieger sitzt, der seinen Piloten fordert. Eine Landung auf Asphalt bei 20 Knoten Seitenwind ist eine Herausforderung für jeden Piloten, in einer Stearman kann es zum wilden Tanz werden. Eine ausgehungerte Dreipunktlandung, zum Beispiel bei den genannten Bedingungen ist wahrscheinlich das dümmste, was man in dieser Situation machen kann. Bestenfalls wird sie sich nur drehen, eine Fläche wird Bodenberührung bekommen, ein paar Kratzer werden übrig bleiben. Schlimmstenfalls wird sie von der Bahn abkommen, ins Gelände schießen etc. Vielleicht wird das Ganze in einer Damenlandung enden (auf dem Rücken liegend, die Beine gegen den Himmel streckend). Hübsche Damen in dieser Position vorzufinden, mag seinen Reiz haben (Hörensagen). Ein Flugzeug in dieser Position ist einfach nur zum Heulen.


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